blutt
Im Alemannischen ist jemand, der zu leicht angezogen ist, "blutt azoge". An so manchem Badesee entdeckt man in einer abgelegene Ecke "ä blutts Füdle", einen nackten Hintern. Dazu gehört das Adjektiv "füdliblutt" für splitternackt.Im Grimmschen Wörterbuch aus dem 19. Jahrhundert erscheint "blutt" auch im Zusammenhang mit jungen Tieren, mit "blutt vögel" oder "blut meus", die noch ungefedert oder ohne Haare sind. Der elsässische Franziskaner, Dichter und Satiriker Thomas Murner (1475-1537) schreibt in seinem satirischen Werk Geuchmatt im Jahr 1519 über den Gauch (Kuckuck): "ist er schon blut, si rupfent wider". Im Elsässischen ist "s blutte Holz" der kahle Wald und der "blutte Berg" ein unbewaldeter Berggipfel. Über die Jahrhunderte wird der Begriff neben der Bedeutung von nackt auch im Sinne von kahl, dünn, abgetragen oder dem Zerreißen nahe verwendet.
Als sinnverwandtes Wort zu "blutt" gilt "bloß", dass ebenso unbekleidet, aber auch im übertragenen Sinne dürftig, unbewaffnet oder arm bedeutet. Das Wort "bloß" stammt vermutlich aus einer gemeinsamen indoeuropäischen Sprachwurzel und findet sich in abgewandelter Form in vielen europäischen Sprachen. Die abgeleiteten Redewendungen "sich eine Blöße geben" für eine schwache Stelle zeigen oder "jemanden bloßstellen" sind im Deutschen gängig. Sprachwissenschaftler sind sich allerdings weitgehend einig, dass "blutt" und "bloß" unterschiedliche Wurzeln haben, die Herkunft des Wortes gilt daher als nicht abschließend geklärt.
Doch beim Blick in so manche europäische Regionalsprache entdeckt man erstaunliches. In der norditalienischen Lombardei, in der man Lombardisch spricht und die an den alemannisch-bayrischen Sprachraum grenzt, verwendet man anders als im Italienischen nicht "nudo" für nackt, sondern den Begriff "biott". Ein "Balabiott" ist ein Nackttänzer, es ist eine Zusammensetzung von "biott" für nackt und "ballare" für tanzen. Ein "bricch biott" ist ein kahler Berg.
Der Alpenraum stand im Rahmen der Völkerwanderungszeit für rund 200 Jahre unter dem Einfluss der Goten, einem ehemals ostgermanischen Volk. Vielleicht kann man dadurch einen germanischen Ursprung des Wortes annehmen, den im Gotischen stand "blaut" für unbekleidet, arm, elend oder weich.
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