Vom Bur zum Shareholder Value
Der "Bur" ist im Alemannischen der Bauer, Landmann oder Landwirt. Seine Frau ist die "Büri" oder "Bürene", Landwirtschaft betreiben nennt man "bure" und der Betrieb dazu heißt "Burerei" oder "Burehof". Das badische Buurequartett begeistert seit mehr als 30 Jahren mit eigenen Liedern in alemannischer Mundart, urkomischen Showfiguren und derben Witzen, die unter anderem das alltägliche Leben auf dem Lande karikieren.Hinter dem Begriff "Bur" verbirgt sich das althochdeutsche Wort "bur" für Haus, das sich aus dem Germanischen "bura" für Gehöft, Hütte oder Vorratsgebäude ableitet. Die Grundbedeutung hat sich auch im englischen Begriff "bower" für Gartenlaube oder "leafy bower" für schattiges Plätzchen erhalten. Die Bedeutung des Wortes lag vor einigen Jahrhunderten noch näher bei Hausnachbar oder Dorfgenosse. Soziale Veränderungen im Mittelalters machten den "bur" zur Berufs- und Standesbezeichnung. Ein Bauer war ein voll berechtigter Hofbesitzer. Aber als Folge des misslungenen Aufstands während des deutschen Bauernkriegs und der Verarmung während des Dreißigjährigen Krieges verkam der Bauer zum Bauerntölpel. Die anderen Stände wie Adel und Bürgertum sahen im Bauer einen groben und dummen Menschen. Bis heute hat das Wort bei Stadtbewohnern noch immer einen negativen Beigeschmack, weshalb man selbst auf dem Lande lieber vom Landwirt spricht. Der hört sich dann ein "bissele" wie der Betriebswirt an.
Unabhängig von der Berufsbezeichnung hat es der Bauer mit seiner Arbeit als angesehenes und respektiertes Gewerbe sowieso schwer, wissen doch die meisten Menschen nicht mehr, wie der Alltag in der Landwirtschaft funktioniert. Dabei gehört die Arbeit zu den anspruchsvollsten Tätigkeiten, die es gibt. 80 Stundenwoche, körperliche Arbeit bei Wind und Wetter, sehr viel Verantwortung und ein umfangreiches Fachwissen in Biologie, Flora, Fauna, Meteorologie, Pedologie und Technik. Das hört sich doch nach mehreren Hochschulstudiengängen und Managergehalt an. Vielleicht braucht der Konsument von heute daher eine sprachliche Überarbeitung des beruflichen Umfeldes, um die längst überfällige Achtung für die eigene Landwirtschaft und seine "Bure" wiederzufinden.
Was wäre, wenn der "Bur" als "Chief Executive Officer" auf der "Company Area" (Burehof) mit seiner "Exekutive Managerin" (Büri) das "Business" verwaltet. Die "Business Division" kann aus "animals" oder "vegetables" bestehen. Durch "Merchandising" stützt man das "Direct Selling" im "Hoflade" und kann den "Cashflow" optimieren. Über einen "Assessment-Center" gibt es keine Probleme bei der Auswahl der zukünftigen "Staff". Über "Headhunter" holt man zur Not die "Employees" vom Nachbarfeld. Als "Key Account Manager" setzt man die eigene "Bagasch" ein, das senkt "costs", kostet unter Umständen aber Nerven. Über "Further Training", "Informative Advertising" und "Public Relation" überzeugt man das eigene Volk, das in der Heimat erzeugte "food" zu kaufen, statt "Unemployment" von morgen zu produzieren. Und wenn der "Shareholder Value" im Job stimmt, dann ist auch der "Bur" wieder total "hip".
Anzeige